Visionen – oder Wie der Yogaraum Goch zu seinem Namen kam
Wenn eine Rose nicht richtig wächst oder nur kümmerlich blüht, was machst du dann? Du fragst dich wahrscheinlich, was ihr fehlt, damit sie voll erblühen kann und in ihrer ganzen Pracht strahlen kann. Vielleicht fehlt ihr Wasser oder Licht oder Wärme oder der Boden hat nicht genug Nährstoffe. Wenn dir die Rose wichtig ist, wirst du vermutlich einiges daran setzen, dafür zu sorgen, dass die Rose alles bekommt, was sie braucht. D.h. du veränderst die UMGEBUNG, stellst aber wohl kaum die Blume selbst infrage. Ich glaube daran, dass jeder von uns bestimmte Fähigkeiten hat, die ihn einzigartig sein lassen. Und dass jeder ein inneres Licht, ein Potential hat, welches zum Strahlen gebracht werden möchte. Etwas, das uns antreibt, das, was uns ausmacht. Man könnte das vielleicht als intrinsische Motivation bezeichnen.
Und ich glaube daran, dass man Menschen nicht von außen motivieren kann (extrinsische Motivation). Du kannst jemanden DEmotivieren, aber du kannst niemanden wirklich zu etwas motivieren, was nicht seiner Natur entspricht, zumindest nur bis zu einem gewissen Punkt. Du kannst eine Rose nicht zu einer Sonnenblume machen, egal wie sehr du an der Rose herumschnippelst und versuchst von AUßEN, die Rose zu verändern – ihr Same ist immer dazu ausgelegt eine Rose zu werden (mal ganz abgesehen davon, dass dieser Aufwand enorm viel Energie kostet). Was du aber tun kannst, ist, optimale Bedingungen zu schaffen. Für die Rose UND die Sonnenblume. So, dass jede Blume in IHRER Fülle blühen und wachsen kann. Meine Vision ist es, einen RAUM zu schaffen (und damit meine ich nicht nur den physischen Raum), einen Rahmen zu schaffen, Bedingungen zu schaffen, die es jedem erlauben, zu wachsen, zu sein. Ein Raum, der erlaubt, die errichteten Mauern einzureißen, die Schichten abzutragen und das innere Licht wieder zum Vorschein zu bringen. Weil ich daran glaube, dass, wenn JEDER sich seiner selbst, seiner Werte und seines Potentials bewusst wird, wir eine riesengroße vielfältige wunderschöne Blumenwiese hätten, in der jeder seine Aufgabe hat und jeder auf seine Weise großartig ist und damit wiederum dazu beiträgt, dass diese Welt ein bisschen besser wird. Ich mag keine Systeme, die Menschen in etwas reinzwängen, was sie nicht sind oder welche von außen vorschreiben, was allgemeingültig für alle richtig ist. Ich möchte eher ein System bzw. Raum schaffen, in dem Menschen wieder lernen, auf ihr Herz und auf ihren Körper zu hören und von SICH aus, aus ihrer inneren Überzeugung heraus, etwas tun, was ihnen Freude macht, ihnen dient und gut tut und was ihnen dabei hilft, sich zu entfalten.
Der YogaRAUM steht für das, was ich durch Yoga erfahren habe und das, was ich an meine Schüler weiter geben möchte: RAUM, der mich wachsen lässt, der mir erlaubt, zu SEIN, in dem ich mich voll entfalten darf, mein volles Potential auszuschöpfen kann. Yoga hat mich gelehrt, kraftvoll zu sein, und dennoch Fehler und Verletzlichkeit zuzulassen und ich möchte einen RAUM schaffen, der Menschen kraftvoll und stark macht und der erlaubt, sich voll und ganz zu entfalten. Die jahrelange Yogapraxis hat mir geholfen, meine Werte und meine Wahrheit zu finden, meinem Selbst zu begegnen, mit allem, was dazu gehört und daran zu glauben, dass viel mehr möglich ist, wenn wir uns gegenseitig den Raum schenken, uns vollständig zu zeigen und uns erlauben, vollständig zu sein.
Hingabe
Für mich ist Hingabe eine der wichtigsten Säulen in der spirituellen Praxis, oft genug aber auch eine der schwierigsten. Hingabe ist für mich nicht nur auf der Matte wichtig, sondern vor allem auch im alltäglichen Leben.
Schaut man sich die Yogaphilosophie an, findet man Hinweise zur Definition: Im Yoga-Sutra von Patanjali (eine Art Leitfaden, ältestes schriftliches Werk über Yoga) werden Wege und Ideen beschrieben, die uns im Leben begleiten können und uns bei verschiedenen Fragestellungen helfen können. Ein Aspekt ist „Ishvara Pranidhana“. Dies kann wörtlich übersetzt werden als „Hingabe an Gott“ und ist eines der fünf Niyamas. Die Niyamas beschreiben, wie wir mit uns selbst umgehen können. Soweit die Theorie. Was bedeutet nun Hingabe in der Yogapraxis oder im Alltag? Immer wieder gibt es im Leben Situationen, Momente, die uns kurzfristig oder vollkommen aus der Bahn werfen, in denen wir denken: DAS habe ich nicht bestellt. Wir planen unser Leben, unseren Alltag, machen To-Do-Listen, haben Vorstellungen, wie Dinge und Menschen zu sein haben, haben Wertevorstellungen, Regeln und selbst auferlegte Glaubenssätze in uns – sprich: Wir TUN/MACHEN/HANDELN/DENKEN. Und dieses Handeln, Ausrichten, Planen, Ziele setzen ist wichtig und richtig und entscheidend für unser Vorankommen. Und dann gibt aber es diesen Moment, diesen Punkt, an dem das Schicksal (oder wie auch immer du es nennen magst) einen anderen Plan hat. Uns reingrätscht in unsere sorgsam aufgestellten Pläne und To-Do-Listen. Das ist der Moment, in dem wir anerkennen müssen, dass wir nichts an der Situation ändern können, dass wir unser BESTES gegeben haben, dass alles getan wurde, was möglich ist. Jeder kennt diesen Moment. Kleines Bespiel: Wir haben einen Termin, setzen uns ins Auto, fahren rechtzeitig los, haben sogar zeitlichen Puffer eingebaut. Und dann: Stau, nichts geht mehr. Es gibt Dinge und Situationen, die sind nicht planbar. Was kann ich tun? Hingabe! Was im Übrigen nicht gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit ist. Gleichgültigkeit würde bedeuten, dass es mir egal ist, dass ich ignoriere und wegschiebe. Hingabe bedeutet Vertrauen. Vertrauen in das Leben, in eine höhere Macht, in den Lauf der Dinge. Hingabe bedeutet anerkennen, was da ist und sich dem (was auch immer) hingeben, anvertrauen, wissend, dass alles Teil des Plans ist (siehe hierzu auch den Artikel „open to grace“ weiter unten). Hingabe bedeutet, bewusst Kontrolle abzugeben, zuzulassen, loszulassen und immer wieder Vertrauen. Hingabe ist nichts, was wir TUN können, es ist eben genau der Moment, in dem wir NICHTS mehr tun müssen. Es ist alles getan. Wir dürfen uns erlauben, uns dem, was ist, hinzugeben, anzuvertrauen. Und im Prinzip kann Hingabe überall stattfinden, im Großen wie im Kleinen, im Alltag und auf der Matte: Es gibt diesen Punkt im Asana (Haltung, Übung im Yoga), an dem ich mich einlassen darf, an dem alles „technische“ eingestellt ist, an dem ich atmen kann, an dem mein Körper mir nicht mehr anbietet. Hier entfaltet sich die Form erst dann wirklich und wird leicht, wenn ich mich der Form hingebe, mir erlaube, die Form zu fühlen und zu schauen, was passiert.
Umgekehrt ist es natürlich auch so, dass vor der Hingabe gewisse Dinge getan werden müssen. Im Asana muss ich beispielsweise die Füße richtig platzieren, die Hüfte ausrichten, die entsprechenden Muskeln aktivieren, tief und voll atmen. Und DANN kann Hingabe geschehen – sofern ich dies zulasse. Hingabe heißt nämlich nicht, Däumchen zu drehen und zu hoffen, dass schon alles gut wird: Ich kann nicht erwarten, dass ich ein Asana irgendwann kann, wenn ich es nie übe. Ich kann nicht im Lotto gewinnen, wenn ich kein Lotto spiele. Ich kann keine Klausur bestehen, wenn ich nicht dafür gelernt habe. Ich kann nicht pünktlich zum Termin erscheinen, wenn ich zu spät losgefahren bin. Ich kann nicht wahre Begegnung erfahren und erfüllte Beziehungen führen (egal, ob kollegiale, freundschaftliche, oder romantische Beziehungen), wenn ich mich gar nicht erst auf den Menschen einlasse. Dann erst geschieht Hingabe. Dazu gehört Vertrauen. Vertrauen in den Lauf der Dinge, Vertrauen in etwas, auf das ich keinen Einfluss habe. Und das schöne ist: WENN ich im Asana Hingabe erfahre, fühlt sich die Form leicht an, still, erhaben, freudvoll, und frei. Und das gilt im Prinzip für alle Momente, in denen Hingabe geschieht.
Sankalpa – oder weiß ich wirklich, was ich will?
Vor einigen Tagen unterhielt ich mich mit einem Freund darüber, dass vielleicht viele Menschen nicht wirklich wissen, was sie wollen. Daraufhin fragte er mich: Weißt DU, was du willst? Geradeheraus antwortete ich mit: Ja, klar! Und muss zugeben, dass diese Frage doch schwieriger zu beantworten ist als gedacht. Weiß ich WIRKLICH, was ich will? Bin ich mir wirklich klar darüber, was ich mir von und in diesem Leben für mich wünsche, was mir wichtig ist? Im Yoga würde man hinter dieser Frage vielleicht den Begriff SANKALPA stellen. Sankalpa bezeichnet die Idee von dem, was in unserem Innersten ruht, von dem, was unser Herz wirklich will, tiefste innerste Absicht, die Wurzel, auf der alles ruht. Je klarer ich mir dessen bin, desto klarer sind meine Handlungen, meine Gedanken und Absichten und es gelingt mir, mein Handeln danach auszurichten. Sankalpa ist so etwas wie die höchste Vision. Sankalpa kann für den gegenwärtigen Moment, den heutigen Tag, die heutige Yogapraxis, das Jahr oder allgemein formuliert und gefunden werden. Und ich glaube tatsächlich, dass viele Menschen sich dessen nicht bewusst sind. Aber ich glaube, dass jeder von uns diese tiefste innerste Intention besitzt und weiß, was für ihn gut ist und welches der richtige Weg ist. Dieses Wissen darüber ist häufig nur verschüttet und wir müssen wieder lernen, unsere Intuition zu finden und wieder zulassen, dass sie zutage tritt. Und oft ist es dann so, dass wir Angst haben, unser Sankalpa auch zu leben. Denn: Zu zeigen und zu leben, was wir uns wünschen, kann Auswirkungen auf all unsere Handlungen haben und unser Leben verändern. Und auch Sankalpa kann sich verändern. Möglicherweise ist das, was sich noch vor einem Jahr richtig angefühlt hat, für heute nicht mehr richtig. Es ist wichtig, sich immer wieder zu (hinter-)fragen: Was ist das, was ich wirklich will? Und sind meine Werte und Normen noch die gleichen, wie vor einem Jahr? Yoga hilft mir dabei, immer wieder nach innen zu gehen und heraus zu finden, was sich mein Herz wünscht, mir klar zu werden, was ich möchte und was mir wichtig ist und mich dann voll darauf einzulassen.
Komfortzone
Aufgrund von persönlichen Erfahrungen, vorgelebten Werten, gesellschaftlichen Normen und Glaubenssätzen empfinden wir bestimmte Situationen als angenehm oder unangenehm: Dies oder jenes habe ich schonmal ausprobiert und es hat nicht funktioniert. Dies oder jenes habe ich schonmal gemacht und ich wurde (seelisch oder körperlich) verletzt. So stecken wir im Laufe unseres Lebens unsere ganz persönliche Komfortzone ab. Innerhalb dieses Bereichs fühlen wir uns entspannt und können uns „frei“ bewegen. Hier tun wir Dinge, die wir gut können, die uns leicht fallen, die uns Freude bereiten. Und das alles ohne das Risiko, verletzt zu werden oder einen Fehler zu machen. Hier haben wir den Raum uns wohlzufühlen, uns zu entfalten, zu sein, wie wir sind. Um diese Gelassenheit zu bewahren, müssen bestimmt Grundbedingungen erfüllt sein, gewisse Sicherheiten da sein, die wir unbedingt brauchen, um uns wohl zu fühlen. Kommen wir nun an den Rand unserer Komfortzone, machen Dinge, die neu sind, die wir noch nie gemacht haben, in denen wir keine Erfahrungen haben und die uns möglicherweise verletzen können, meldet sich unser Verstand. Er sagt uns: Achtung, ab hier bewegst du dich auf unbekanntem Terrain, es könnte gefährlich werden. Und das ist auch gut so und hat seinen Sinn. Schließlich ist unser Verstand genau dazu da, um uns in Extremsituationen davor zu bewahren, unser Leben zu riskieren. Aber wir können lernen, unseren Geist genau so zu sehen: Als wertvolles Werkzeug, als Tool, welches wir nutzen können, als wertvollen Partner und Ergänzung zur Intuition.
Manchmal bringen wir uns selbst an diese Grenze unserer Komfortzone, sind neugierig, wollen neue Welten zu entdecken, um zu schauen, was hinter dem Tellerrand liegt, immer angetrieben von der Kraft, die uns wachsen lässt, die möchte, dass wir unser ganzes Potential entfalten, alles aus uns heraus holen, zu schauen, was ist noch alles möglich. Manchmal geschieht es auch, dass andere Personen oder die Umstände uns an diese Komfortzonengrenze bringen. Meiner Meinung macht es einen Unterschied, ob wir selbst entscheiden, an diesem Punkt weiter zu gehen als bisher oder ob unser Umfeld dies sozusagen fordert. Dennoch können (und sollten!) wir natürlich in der Regel auch im letzteren Fall immer noch entscheiden, ob wir uns über die Grenze schubsen lassen oder nicht. In beiden Fällen bekommen die allermeisten von uns erstmal Angst: Angst, zu versagen, Fehler zu machen, zu scheitern, verletzt zu werden. Entscheiden wir selbst, weiter zu gehen, können wir das Tempo vorgeben, die Größe und die Art der Schritte, die wir tun, um in dieses unbekannte Gebiet vorzurücken. Werden wir von außen dazu motiviert, ist es manchmal gar nicht so einfach, innezuhalten und dem Außen zu kommunizieren: Okay, hier ist meine Grenze, bitte respektiere diese und meine Art und Weise, damit umzugehen. Allein, wahrzunehmen, wo die eigene Grenze ist und wo der Punkt ist, an dem ich diese Grenze überschreite, erfordert Bewusstsein und Übung. Immer wieder wahrzunehmen, was ist das, was mir gut tut und wann erreiche ich den Punkt, an dem ich unsicher werde, Angst bekomme.
Es macht daher auch wenig Sinn, seine eigenen Grenzen mit denen anderer zu vergleichen. Jeder hat andere Erfahrungen gemacht, jeder hat seine eigene Komfortzone. Und jeder hat sein Tempo und vor allem das Recht und auch die Pflicht, zu entscheiden, wie er damit umgeht. Der eine verweilt zunächst an dieser Grenze, nimmt sich viel Zeit, um zu schauen, welches seine Sicherheiten sind, die er unbedingt, benötigt um weiter zu gehen. Und geht dann in kleinen Schritten auf Zehenspitzen vorsichtig los. Der andere geht mit großen Schritten voran.
Ein Beispiel aus dem Yoga: Handstand war vor meiner Yogazeit grundsätzlich ein Ding, welches einfach gar keine Bedeutung in meinem Leben hatte, ich hatte nie Interesse, ihn auszuprobieren. Dann, in einer Yogastunde wurde Handstand geübt. Ich fand’s ziemlich furchtbar. Zumal ich noch nicht so viel Erfahrung hatte und damit die körperlichen Voraussetzungen noch nicht optimal waren, aber auch weil ich Angst hatte, mich zu verletzen. Aber ich habe weiter geübt: Mit Hilfestellung, mit Hilfsmitteln, mit Wand. Eben alle möglichen Varianten probiert, die die Prinzipien und das Konzept klar machen. Damit baute ich mir meine für mich so notwendigen Sicherheitssäulen und konnte irgendwann üben, alleine an die Wand zu schwingen, um dann die Füße von der Wand zu lösen und für ein paar Sekunden frei zu stehen. Mittlerweile kann ich in den paar Sekunden, in denen ich frei (mit der Wand im Rücken oder Hilfestellung = eine Sicherheitssäule, die ich nach wie vor brauche), auch im Handstand arbeiten, verbessern, fühlen. Nichts im Vergleich zum Anfang, als ich schon in Panik ausbrach, wenn nur das Becken über die Schultern kam.
Über unsere Grenzen zu gehen bedeutet Wachstum, Potentialentfaltung und persönliche Entwicklung, sofern dies in einem angemessenen Rahmen stattfindet. Uns dagegen zu überfordern oder überfordert zu werden, kann dazu führen, dass uns Dinge, die wir normalerweise innerhalb unserer ursprünglichen Komfortzone sicher konnten, auf einmal Angst bereiten, uns unsicher machen und wir uns gehemmt fühlen. Hierzu noch ein Bespiel: Wer sich schonmal auf einer Slackline versucht hat, weiß, wie schwierig das ist. Nun spannt man diese Slackline in der Regel erstmal so, dass sie relativ knapp über dem Boden ist. Die Fallhöhe ist gering, das Verletzungsrisiko ist überschaubar und wir haben einen sicheren Rahmen, um üben zu können. Wenn wir sicherer im darüber balancieren werden, können wir mehr ausprobieren (in die Knie gehen, einbeinig etc.). Wir könnten die Slackline auch etwas höher hängen, sodass der Abstand zum Boden größer wird. Alles kein Problem. Jetzt kommt ein anderer und spannt die Slackline über ein mehrere hundert Meter tiefes Tal in den Bergen: Die Aufgabe an sich ist genau die gleiche! Aber die Umgebung hat sich geändert und auf einmal werden wir unsicher, bekommen wieder Angst, zumal wir nicht selbst entschieden haben, die Slackline so hoch zu hängen. Das ist nicht die Idee von Komfortzonenerweiterung! Sondern eher wahrzunehmen, WO ist MEINE Grenze und WIE und in welchem Tempo möchte ich diese Grenze achtsam verschieben, um mein volles Potential auszuschöpfen. Dinge und Prozesse, Wachstum und Entfaltung brauchen ihre Zeit, bei jedem ein bisschen anders und jeder sollte für dich entscheiden können, wie er seinen Wachstumsprozess gestaltet.
Yoga und Ernährung
Neulich fragte mich jemand: „Was hat denn Yoga mit Ernährung zu tun?!“ Gute Frage. Und weil Ernährung ein so viel diskutiertes Thema ist, gar nicht so einfach zu beantworten. Daher hier nur ein kurzer Überblick meiner Gedanken zu diesem Thema: Auf der einen Seite fragen sich einige, was Yoga mit Ernährung zu tun hat, und auf der anderen Seite werde ich auch immer wieder gefragt: „Wieeee, du trinkst Kaffee/isst Fleisch/trinkst Alkohol?! Du bist doch Yogalehrerin!“. Also scheint es ja doch einen Zusammenhang zu geben zwischen der Rolle des Yogis und dem, was ich esse (oder vermeintlich nicht esse).
Yoga ist eine ganzheitliche Praxis und ich bin der Meinung, dass diese nicht aufhört, wenn ich meine Matte verlasse. Ganzheitlich bedeutet unter anderem, dass es nicht nur um MICH geht, sondern auch um meine UMWELT. Das heißt, dass mir auch außerhalb meiner Matte ein gesunder und achtsamer Lebensstil wichtig ist. Achtsam mit mir UND mit meiner Umwelt. Im Yoga-Sutra (einer der wichtigsten Texte im Yoga) gibt es hierfür verschiedene Ideen und Hinweise. Einer davon: AHIMSA bedeutet soviel wie Gewaltlosigkeit. Gewaltlosigkeit mir und meiner Umgebung gegenüber (im Denken und Tun). D.h. zum Beispiel, dass ich versuche, genau hinzuschauen, wo z.B. mein Fleisch oder meine Milch oder meine Eier, die bei mir auf dem Teller landen, herkommen und wie sie produziert wurden.
Ein recht einfacher Weg, einen gesunden Lebensstil zu führen, ist, sich regional und saisonal zu ernähren. Damit tu ich meinem Körper und der Natur/Umwelt etwas Gutes. Die Transportwege sind kurz, was zu weniger CO2-Ausstoß führt, saisonale Produkte müssen nicht aufwändig gelagert werden. Und das, was saisonal und regional wächst, ist in der Regel auch das, was für unseren Körper am besten ist. Will man weiter gehen, hilft es, sich diese Fragen zu stellen: Wo genau kommt mein Essen her? Wie wurde es angebaut (bio vs. konventionell)? Und was ist mir mein Essen wert?
Yoga lehrt auch Bewusstheit für die eigenen Bedürfnisse: Welches Lebensmittel tut mir gut, welches nicht? Und was braucht mein Körper jetzt? Ein gesunder Körper ist eine wichtige Säule für ein gesundes, aktives und erfülltes Leben. Einer der Gründe, warum Asanas (Körperhaltungen) in vielen Yogarichtungen einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Genauso wie Asanas unseren Körper stark und flexibel machen, sorgt eine gesunde und bewusste Ernährung für die nötige Energie und einen gesunden und kraftvollen Körper.
Und dennoch: Am Ende muss jeder für sich entscheiden, wo seine Prioritäten liegen und was jedem einzelnen wichtig ist. Festgefahrene und dogmatische Ansichten zum Thema Ernährung sowie allgemeingültige Ernährungskonzepte sind meiner Meinung nach nicht dienlich, denn jeder Mensch ist anders und hat andere Bedürfnisse und Voraussetzungen. Daher gibt’s dann auch bei mir mal eine Tasse Kaffee, ein gutes Stück Fleisch oder ein Glas Wein, wenn mir danach ist :-).
P.S.: Ein sehr zu empfehlender, aber auch erschreckender Film zum Thema Ernährung ist „We feed the world“.
Gefühle
„Unsere Gefühle sind kein Problem, das gelöst werden muss. Sie sind Teil unserer Lebensenergie.“ – Chameli Ardagh –
Ein spannendes, sehr großes und weitreichendes Thema. Lange habe ich mich gefragt: Was sind Gefühle überhaupt? Ein schwammiger Begriff, wenig greifbar. Wo kommen sie her und was soll ich damit anfangen? In unserer Gesellschaft geht es wahrscheinlich den meisten Menschen so. Gefühle stehen dem Verstand im Weg, sind irrational, gelten als Schwäche und haben im Job usw. nichts verloren. Heute ist es für mich gerade die Kombination aus Verstand und Gefühl, aus Kopf und Herz, die so viel Potential hat.
Manchmal ist es eine Kleinigkeit, ein Satz, ein Wort von jemandem, eine scheinbar unbedeutende Situation und schon fühlen wir in uns etwas, irgendetwas „kommt hoch“. Das kann alles sein: Wut, Kummer, Freude, Eifersucht, Liebe, Dankbarkeit. Allein dieses etwas, was da hoch kommt, wahrzunehmen und einzuordnen, erfordert Übung und ist nicht selbstverständlich. Oft ist es so, dass wir das Gefühl, was da ist, dann auch sofort in Schubladen sortieren: Gut oder schlecht, positiv oder negativ, wichtig oder unwichtig. Bei Gefühlen, die wir als negativ bewerten, ist es häufig so, dass wir diese nicht haben wollen, meiden wollen, wegschieben wollen und als etwas interpretieren, was „ja eh nichts bringt“. Heute würde ich sagen: Zunächst ist ein Gefühl erstmal nur ein Gefühl, eine Energie, die durch irgendetwas, einen Trigger, losgetreten wurde und in uns selbst produziert wird: Durch unsere Interpretation der Situation. Und allzu häufig ertappen wir uns dabei, sofort darauf zu reagieren oder uns zu sagen: Da sollte ich „drüber stehen“. Statt es einfach erstmal da sein zu lassen. Doch gerade bei Gefühlen, die sich unangenehm anfühlen, ist es hilfreich, dieses Gefühl da sein zu lassen, möglicherweise aus einer anderen Ebene zu betrachten und sich dann auch darauf einzulassen. Gefühle zu zeigen, sich verletzlich zu zeigen, ist so unglaublich authentisch. Das heißt nicht, ständig sein Innerstes nach außen zu kehren oder in Selbstmitleid zu versinken. Es heißt einfach nur, sich selbst als Ganzes zu sehen und anzunehmen, mit allem, was da eben ist.
Was hat das mit Yoga zu tun? Yoga ist eine Praxis, die uns als Ganzes sieht, die auf allen Ebenen stattfindet. Yoga und Asanapraxis können helfen, Gefühle im Körper wahrzunehmen und schärfen das Bewusstsein für den Umgang damit: Was passiert im Asana, wie reagiere ich, wenn ich vielleicht eine tiefe/intensive Dehnung fühle? Kann ich mich in dem Moment voll darauf einlassen, ohne mich davon überwältigen zu lassen? Gefühle sind also keine Hindernisse, nichts, was überwunden werden muss, sondern vielmehr Energie, die wir bewusst nutzen können und die uns als Wegbegleiter dienen können.
Was bedeutet Namasté?
Am Ende (fast) jeder Yogastunde fällt das Wort Namasté. Doch was genau bedeutet der Sanskritbegriff Namasté? Zunächst einmal wird Namasté in vielen asiatischen Ländern als Grußformel oder Grußgeste (Mudra) verstanden. Dabei werden häufig die Handinnenflächen vor dem Herzen zusammengelegt und der Kopf leicht geneigt. Je tiefer die Verbeugung und je höher die Hände, desto tiefer die Ehrerbietung.
Wörtlich übersetzt bedeutet Namas-té „Verehrung dir“ und kann als Ehrerbietung einem anderen Menschen, dem Göttlichen in ihm oder dem Göttlichen ansich gegenüber verstanden werden. Angeblich soll Mahatma Gandhi Namasté folgendermaßen definiert haben: „Ich ehre den Platz in dir, in dem das gesamte Universum wohnt. Ich ehre den Platz des Lichts, der Liebe, der Wahrheit, des Friedens und der Weisheit in dir. Ich ehre den Platz in dir, wo, wenn du dort bist und auch ich dort bin, wir beide eins sind.“
Aus der Sicht der tantrischen Philosophie kann „der Platz des Lichts“ auch so verstanden werden, dass eben nichts existiert, was NICHT „göttlich“ ist und „das Licht“ in jedem und allem zu finden ist. Ein Beispiel: Wenn ich aus dem Ozean ein Glas Wasser entnehme, ist dieses Glas Wasser immer noch ein Teil des Ozeans, ein Teil des großen Ganzen. Der Anteil ist zwar kleiner, hat aber dennoch die gleichen Bestandteile und ist somit niemals getrennt vom Ganzen, sondern hat bloß eine andere Form.
Als Yogi (sowohl als Lehrer als auch als Schüler) bedeutet Namasté für mich, meine Schüler als auch mich selbst und „das Licht“ in jedem zu ehren, zu achten, dankbar zu sein für meine Yogapraxis und die meiner Schüler, für die Gnade gemeinsam Yoga zu praktizieren, dankbar zu sein, Yoga gelehrt zu bekommen und Yoga zu lehren und weitergeben zu dürfen.
Open to grace
Set the foundation and open to grace ist das erste von fünf Prinzipien im Anusara®-Yoga. Grace kann übersetzt werden als (göttliche) Gnade. Somit bedeutet open to grace wörtlich übersetzt soviel wie: Sich der göttlichen Gnade öffnen. Darunter kann eine Einstellung zum Leben verstanden werden, welche sagen will: Sei offen für das, was kommt und das, was ist. Sich zu öffnen für das was ist, heißt, das Leben als Geschenk zu empfangen und sich etwas größerem anzuvertrauen. Es bedeutet, sich allen Höhen und Tiefen, die das Leben mit sich bringt, hinzugeben. Open to grace sollte aber nicht als passives „Sich-Ergeben“ verstanden werden, sondern eher als Bereitschaft und Akzeptanz, dass oft viel mehr möglich ist, als wir glauben. Oft haben wir eine Idee oder eine gewisse Vorstellung davon, wie Dinge zu sein haben oder wie ein Plan zu funktionieren hat und sobald etwas dazwischen kommt, versuchen wir zwanghaft an diesem Plan festzuhalten. Im Nachhinein stellt sich dann oft heraus, dass das, was dazwischen gekommen ist, genau richtig war. Open to grace bedeutet, an dieser Stelle die Offenheit zu bewahren, sich auf die Planänderung einzulassen, und möglichweise in Betracht zu ziehen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die nicht unbedingt schlechter sind. Nun ist es recht einfach, sich anzuvertrauen und zu öffnen für die Dinge, die wir mögen und die uns leicht fallen. Die Frage ist nun: Kann ich auch vertrauen, wenn die Planänderung scheinbar negativ ist? Kann ich mich öffnen für Dinge und Situationen, die sich unangenehm anfühlen? Die Yoga-Praxis hilft empfänglich zu sein für das, was ist und das, was passiert. Im Asana kann ich üben, gelassen zu bleiben, zu atmen, meinen Geist zu beruhigen, auch wenn z.B. die Dehnung sehr intensiv oder das Asana sehr kraftvoll ist und meine volle Aufmerksamkeit fordert. Open to grace erinnert daran, ab und zu die Kontrolle abzugeben und darauf zu vertrauen, dass der Plan, den das Leben für uns bereit hält, der beste ist, auch wenn das nicht unbedingt immer unseren Vorstellungen entspricht.